Phia. e.V lädt euch auch dieses Jahr wieder zu unserer Vortragsreihe “Beziehungsweise Männlichkeit – von Catcalling bis Femiziden und den Ursachen und Folgen patriarchaler Praktiken” ein. Vom 01. Juli bis zum 28. August 2021 gibt es in drei Städten jeweils zwei Vorträge und eine abschließende Kunstausstellung in Berlin. Einige der Vorträge werden auch online übertragen, die Links findet ihr am Tag des Vortrags dann auf dieser Seite.


In der Vortragsreihe wollen wir gemeinsam Gewalt gegen Frauen* - von Catcalling bis Femi(ni)zide - als eine Erscheinungsform von Ideologien, Hass und Diskriminierung näher beleuchten und diskutieren. Die geschlechtliche Dimension bietet allerdings auch Erklärungspotential für Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die nicht Frauen* zum Ziel haben, wie Antisemitismus und Rassismus. Es soll unter anderem aufgezeigt werden, wie und unter welchen Konflikten Männlichkeiten sozial hergestellt werden und warum vorrangig Männer in ihrem Hass auf Differenz zur Gewalt gegenüber Frauen*, Migrant*innen, LGBTIQ und anderen sozialen Gruppen neigen, die im Widerspruch zu ihrer prekären Selbstwahrnehmung und Weltanschauung stehen. Dabei soll nicht vergessen werden, dass sexualisierte Gewalt auch in linken und vermeintlich aufgeklärten Kreisen bis heute fortbesteht. Darüber hinaus sollen intersektionale Ansätze diskutiert und der Entstehungskontext dieser Perspektiven anhand ihres Ursprungs im Schwarzen Feminismus aufgezeigt werden. Nicht zuletzt können uns solche Perspektiven und Analysen helfen um kollektiv auch über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie nachzudenken.


Darüber und über viele andere Fragen wollen wir gerne im Anschluss an die Vorträge mit euch diskutieren. Wir freuen uns auf euch und auf einen Mix aus Theorie, Unterhaltung und Kritik.


Vortrag am 1. Juli 2021 20 Uhr unter phia-ev.de (organisiert in Kooperation mit der freien uni bamberg)


Bilke Schnibbe: "Toxische Männlichkeit? – Wie Männlichkeit und sexueller Gewalt zusammenhängen"

 

"In einem Werbespot der Marke Gilette werden Männer aufgefordert, die beste Version ihrer selbst zu sein und alle rasten aus. Nicht erst seit diesem Video wird heiß darüber diskutiert, was genau das eigentlich ist, Männlichkeit, und welche negativen Konsequenzen es hat, wenn Männer immer männlich sein müssen. Bilke Schnibbe thematisiert neben diesen beiden Fragen den problematischen Zusammenhang von sexueller Gewalt und Männlichkeit. Dabei stellt Bilke folgende Fragen: Warum wird sexuelle Gewalt fast ausschließlich von Männern begangen? Warum ist sie so weit verbreitet und warum gibt es gleichzeitig so wenig wirksame Maßnahmen dagegen? Und nicht zuletzt, wie kann uns eine radikale kritische Perspektive auf Männlichkeit helfen, diese Probleme anzugehen?"


Bilke Schnibbe ist Redaktionsmitglied der linken Monatszeitung analyse & kritik und arbeitet außerdem als Psycholog*in in Berlin. Bilkes Themen sind aktuell Feminismus und Care-Arbeit, sexuelle Gewalt und Psychotherapie.

 

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Vortrag am 8. Juli 2021 20 Uhr unter phia-ev.de (organisiert in Kooperation mit der freien uni bamberg)

 

Jeja Klein: "Zum Fortleben sexueller Gewalt in linken Milieus"


"Linke Milieus gerieren sich gern als Gegenpol zu Phänomenen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Antisemitismus. Schilder in linken Läden lassen etwa verlauten, Sexismus werde hier schlicht nicht geduldet. Doch warum hält sich etwa sexuelle Gewalt so hartnäckig in diesen Kreisen? Davon zeugen nicht zuletzt die ständigen Auseinandersetzungen, die vor allem Frauen zum Beispiel mit ehemaligen Partnern führen müssen. Diese Konflikte bilden jedoch nur die Spitze des Eisbergs dessen, was in den Betten dieses „aufgeklärten Milieus“ vor sich geht. So ist das Erleben von Mitgliedern linker Szenen stark geschlechtlich getrennt: während sich Männer frei heraus um wichtige politische Anliegen, Demos, Aktionen und Strategien kümmern können, befinden sich viele linke Frauen und Queers in einem ständigen Beziehungskampf um Anerkennung, begehbare Räumlichkeiten und um ein soziales Netzwerk, in dem sie sich einfach nur sicher aufhalten können. Der Widerspruch zwischen antisexistischem Selbstbild und sexistischer Lebenspraxis liegt auch an der massiven Unterschätzung der Tiefe, mit der sich sexistische Gesellschaftsstrukturen in Denken, Fühlen und Handeln von uns allen eingraben."


Jeja Klein macht freien Journalismus unter anderem für neues deutschland, Supernova, die Analyse & Kritik oder Titanic. Es hat unter anderem Philosopie und Geschichte studiert und interessiert sich insbesondere für Fragen der sexuellen Gewalt, Männlichkeit und männlicher Sexualität sowie für queere Themen. Jeja ist nichtbinär und wird mit den Pronomen Es und Sie angesprochen. Im neuen deutschland schreibt Jeja ein mal in der Woche unter dem Schlagwort "Jeja nervt" ihre Kolumne zu Politk und Kultur.

 

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Vortrag am 22. Juli 2021, 20 Uhr, Mjut (Lagerhofstraße 2, Leipzig)

 

Sebastian Winter: "Der männliche Hass auf Differenz"


"Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus haben eine augenfällige Gemeinsamkeit: Die Gewalt, die ihnen entspringt, wird meistens von Männern ausgeübt. Was kein Zufall sein kann, muss strukturelle Ursachen haben, deren subjektive Seite sozialpsychologisch in der männlichen Subjektkonstitution im patriarchalen Kapitalismus aufgespürt werden kann. Männer werden zu Männern gemacht und unter Konflikten wird eine fragile Männlichkeit sozial hergestellt. Um diese permanent krisenhafte Fragilität zu kitten, neigen Männer in einem projektiven Hass auf Differenz zur Gewalt gegenüber denen, die in ihrer Imagination die Männlichkeit und ihre Souveränität gefährden."


Sebastian Winter ist Sozialpsychologe, Historiker und Referent für politische Bildung. An der Uni Hannover forscht er zu psychoanalytischer Sozialpsychologie von Gemeinschafts- und Feindbildungsprozessen (Rassismus, Antisemitismus, Misogynie, Anti-Genderismus und männliche Gewalt) und ist Mitherausgeber der Freien Assoziation, einer Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie.

 

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Vortrag 29. Juli 2021, 20 Uhr, Mjut (Lagerhofstraße 2, Leipzig)

 

Marlene Pardeller: "Historische Messungen - Die Strahlkraft der Wut"

 

Livestream (ab 20:00h): https://www.youtube.com/channel/UCibqkSs0aFCc-IwF8OW4LQQ


"Die Rote Zora übt einen Sprengstoffanschlag auf die Bundesärztekammer in Köln aus, die Schwarze Frauengruppe ADEFRA bekämpften Rassismus in den Feministischen Bewegungen und in der deutschen Gesellschaft. Der Schabbes Kreis bekämpfte den systematischen Antisemitismus in den feministischen Bewegungen und in der deutschen Gesellschaft. Die Sexarbeiter*innen organisieren sich und autonome Frauenhäuser werden gegründet. Laut war die Dunkelheit als wir uns die Nacht zurücknahmen in den 70er und 80er Jahren in Westdeutschland. Wie kam es zu dieser politischen Sprengkraft? Jahre gingen ihnen voraus, in denen sich einzelne Frauen* getroffen hatten, privat in Wohnzimmern und Küchen, in Parks und am See, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, ihre Verletzungen, der Gewalt, der sie sich ausgesetzt sahen. Sie gingen von sich selbst aus. „Partire da se“ wurde von den italienischen Feministinnen* in den 70er Jahren als politisches Instrument entwickelt, um in den eigenen Erfahrungen die Momente zu verstehen, die nicht privat, sondern gesellschaftlich bedingt waren, durch Gesetze und akzeptierte Normen. Sie brachen so die Normalisierung von Gewalterfahrung auf, mit dem Bewusstsein, dass wir anders gemeinsam leben können. Auf diesen Errungenschaften bauen wir heute auf. Im Vortrag will ich darauf eingehen, was wir von ihnen übernehmen, was weiterentwickeln und was neu überdenken müssen, um in den neuen Zuständen, in denen wir uns befinden, gemeinsam agieren zu können. Ich frage danach, welchen Begriff von Gewalt wir brauchen, um uns gegen Femizide und transFemizide organisieren können. Dafür nutze ich die Strahlkraft der historischen Wut für uns heute, hier, denn wir wollen uns lebend!"


Marlene Pardeller hat die Initiative #keinemehr mitbegründet, die sich mit Femiziden auseinandersetzt. In ihren Filmen arbeitet sie mit den Schwerpunkten Intersektionaler Feminismus und Geschichtserarbeitung. In ihren Artikeln und Workshops geht es vor allem um die historisch-soziale Entwicklung von bestimmten (Sprach)Bildern in den Texten von Schriftstellerinnen* und Werken von Künstlerinnen*.


Vortrag 05.08.21, Berlin 19 Uhr - Zukunft am Ostkreuz (Laskerstraße 5, 10245 Berlin)

 

Kollektiv Dziewuchy Berlin: Wer entscheidet über meinen Körper? Zur Lage der feministischen Protestbewegung Polens.

 

"Die feministische Bewegung gibt es in Polen seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Historisch gesehen unterscheidet sich seine Geschichte deutlich vom amerikanischen und westeuropäischen Feminismus, was vor allem auf die Isolierung der Volksrepublik Polen von der globalen feministischen Bewegung zurückzuführen ist. In unserem Vortrag werden wir jedoch uns auf die neueste Geschichte konzentrieren. Was ist in Polen seit 2016 los? Warum sind die Frauen auf die Straßen gegangen und was haben sie erreicht? Wir freuen uns auf Euch."

 


Vortrag 12.08.21, Berlin 19 Uhr - Zukunft am Ostkreuz (Laskerstraße 5, 10245 Berlin)

 

Dr. Natasha A. Kelly: "Schwarzer Feminismus - Intersektionalität im Kontext von Corona"

 

"Intersektionalität gewinnt in feministischen Kontexten zunehmend an Beliebtheit, wird aber stets von seinem Entstehungskontext abgekoppelt: Der Ansatz hat seinen Ursprung im Schwarzen Feminismus. Die politische Kraft, die der Intersektionalitätstheorie zugrunde liegt, besteht darin, komplexe Formen der Diskriminierung in ihrer Verwobenheit wahrzunehmen und zu thematisieren und Menschen in ihrer Vielfalt und ihren politischen Kämpfen sichtbar zu machen. Inwieweit eine intersektionale Perspektive notwendig ist, um kollektiv über die "Corona-Krise“ nachzudenken, wird in diesem Vortrag aufgezeigt."


Dr. Natasha A. Kelly begann ihre akademische Karriere mit einem Studium der Kommunikationswissenschaft, Soziologie und englischer Philologie und ist mittlerweile promovierte Kommunikationssoziologin, Autorin und Herausgeberin von fünf Büchern. Mit ihrer preisgekrönten und international gereisten Dokumentation "Millis Erwachen“ feierte sie ihr Filmdebüt auf der 10. Berlin Biennale 2018 – es folgten Filminstallationen, Screenings und ihr Regiedebüt mit der internationalen Aufführung ihrer Dissertationsschrift "Afrokultur. Der Raum zwischen gestern und morgen“ (2016) in drei Ländern und drei Sprachen. Als Herausgeberin von "Schwarzer Feminismus“ (2019) leitete sie ein Team von Übersetzerinnen [engl./dt.] und veröffentlichte renommierte Grundlagentexte von 1851 bis heute. Sie ist Gründungsmitglied des Black European Academic Networks (BEAN), eine transeuropäische Plattform, die sich dem Austausch Schwarzer Wissenschaftler_innen, Doktorand_innen und Masterstudent_innen verschrieben hat.